Ein Gewerkschaftspräsident aus der Zürcher PNOS-Führung?

Wieder einmal versucht die PNOS Zürich, sich von einem blossen Webportal hin zu einer ordentlichen Partei zu verwandeln. Hierfür gab sich die Neonazi-Partei letzten Montag einen zweiköpfigen Vorstand. Brisant daran: Raphael Rotzer, der ernannte stellvertretende Parteivorsitzende, ist gleichzeitig Präsident der Zürcher Oberländer Sektion der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV).

Die Partei national orientierter Schweizer (PNOS) hat es im Kanton Zürich bislang nicht geschafft, sich als tatsächlich funktionierende Partei zu konstituieren. Die Zürcher Rechtsextremen brachten es seit 2010 bloss zu einem halb lebendigen „Infoportal“ im Netz. Die Schweizer Parteileitung selbst schreibt in einer Mitteilung vom Montag (20.3.), dass in Zürich „immer wieder Aktivisten in die Öffentlichkeit gingen, aber dann auch schnell wieder verschwanden.“ Dies solle sich nun ändern – und zwar mit der frisch eingesetzten Jasmin Maeder (27) als Parteivorsitzende sowie mit dem Hinwiler Bodybuilder und Buschauffeur Raphael Rotzer (32) als Maeders Stellvertreter.

Maeder mag Hitler-Dokus, Rotzer die deutsche Neonazipartei «Der III. Weg». Screenshot von der PNOS Homepage.

Jasmin Maeder ist bislang öffentlich nicht aufgefallen. Im Internet präsentiert sie sich lediglich auf diversen Dating-Plattformen und führt in ihrem Youtube-Kanal unter „Videos, die ich mag“ neben diversen Schlager-Hits auch Dokumentarfilme über Adolf Hitler. Kaum bekannter ist Raphael Rotzer. Das dürfte sich nun aber ändern. Denn der kahlköpfige Muskelprotz ist nicht nur neues Führungsmitglied der Zürcher PNOS, sondern seit dem 25. Februar 2017 auch gewählter Präsident der Zürcher Oberländer Sektion der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV Sektion Verband des Personals privater Transportunternehmungen (VPT) – Verkehrsbetriebe Zürichsee und Oberland (VZO)).

Rotzer verschwieg dem SEV seine PNOS-Mitgliedschaft

Über seine PNOS-Mitgliedschaft habe er seine Gewerkschaftskolleg*innen nicht informiert, sagt Rotzer gegenüber ajour. Einzelne hätten zwar davon gewusst, doch er wolle das „nicht gross rumerzählen“. Diese Darstellung deckt sich mit der Aussage von Urs Franzi, dem Kassier der Gewerkschaftssektion. Von Rotzers PNOS-Mitgliedschaft hätten er und die Kolleg*innen nichts gewusst und er sei überrascht, das zu hören, so Franzi zu ajour. Als neuer Sektionspräsident will Rotzer aber angeblich keine Politik innerhalb der Gewerkschaft machen, denn „wir haben andere Sorgen in unserer Sektion“. Geplagt wird die SEV-Sektion nämlich vom Mitgliederschwund. Zehn Abgänge pro Jahr seien es, klagt Rotzer. Die Sektion zähle nur noch 98 Mitglieder, dabei seien alleine bei den Verkehrsbetrieben Zürichsee und Oberland (VZO) neben ihm selbst noch über dreihundert andere Kolleg*innen angestellt. Der Grund für den Rückgang sieht Rotzer in der angeblichen Passivität der Gewerkschaft. In den letzten Jahren sei es nämlich „ein bisschen langweilig“ gewesen. Ob der 32-Jährige Gelegenheit haben wird, dies fortan zu ändern, ist aber höchst ungewiss. Immerhin vertritt seine neofaschistische Partei Anliegen, die dem SEV diametral entgegenstehen dürften.

„National – Revolutionär – Sozialistisch“: Rotzers deutsche Freunde

Rotzer gibt sich im Gespräch mit ajour als engagierten Gewerkschafter. Er beabsichtige die Mitglieder zu aktivieren, um dann Neuzugänge verzeichnen und letztlich einen Firmen-GAV durchsetzen zu können. Ob sich aber die Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Partei, die am 1. Mai auch schon unter dem faschistischen Slogan „Volksgemeinschaft statt Klassenkampf“ aufmarschiert ist, nicht zwangsläufig mit den Zielen einer jeden Gewerkschaft beisse? „Nein“, meint Rotzer, wie im SEV gehe es auch in der PNOS, die nicht faschistisch, sondern demokratisch sei, darum, „Leute zu unterstützen“.
Und tatsächlich findet sich auf der PNOS-Homepage ein Unterstützungsaufruf für „Leute“: Um „Winterhilfe für Deutsche“ bittet da die Partei, denn „das Geld reicht eben nur für ausländische Flüchtlinge, aber nicht für die einheimischen Armen“. Die „deutsche Winterhilfe“ ist ein Propagandaprojekt der deutschen Neonazipartei „Der III. Weg“, die ihre Anhänger*innen besonders aus dem Umfeld der militanten und zumeist verbotenen „Freien Kameradschaften“ rekrutiert und unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Raphael Rotzer ist mit Der III. Weg (Parteimotto: „National – Revolutionär – Sozialistisch“) befreundet, wie er auf Facebook verrät.
Weniger erwärmen wird sich Rotzer für bestimmte andere Menschen. Anfangs Februar postet auf der Partei-Homepage ein gewisser „Aktivist RR“ aus der Sektion Zürich den Beitrag „Sind dies die Schutzbedürftigen?“. Unter dem Titel folgt eine Fotographie eines Schwarzen. Dass es sich dabei um eine Aufnahme Ousman Sonkos handelt, der als ehemaliger Innenministers Gambias in der Schweiz um Asyl sucht, scheint dabei zweitrangig. „Denn bei uns in der Schweiz kann jeder rein und raus wie es ihm gerade passt“, behauptet „Aktivist RR“ und weiter: „Egal ob Islamist, Terrorist, Diktator, Kriegsverbrecher, Mörder, Dealer, Vergewaltiger. Tür und Tor stehen einfach jedem offen.“

Der SEV gegen Rassismus – Sektion prüft Massnahmen

Wie der SEV aber schreibt, setzt sich die Gewerkschaft dezidiert „gegen fremdenfeindliche Hetzkampagnen“ und „gegen Rassismus“ ein – etwa mit gewerkschaftlichen Beratungen für Ausländer*innen oder an Demonstrationen von Sans-Papiers. Schliesslich besteht auch das Verkehrspersonal aus Menschen unterschiedlichster Herkunft. Der SEV spricht Klartext: „Ohne ausländische Arbeitskräfte käme der öffentliche Verkehr zum Erliegen.“ Auch Flüchtlinge werden immer öfters zur Reinigung von Bussen herangezogen – zu minimalen Entschädigungen versteht sich. So seit Kurzem auch bei den VZO, wo Rotzer arbeitet und „die Leute unterstützen“ will.


Immer wieder versuchen Neonazis in der Arbeiter*innen- und Gewerkschaftsbewegung Fuss zu fassen. Hier einige Pnösler an einer gewerkschaftlichen 1. Mai-Demo. Bild: Indymedia Switzerland.

Steht aber nicht gerade die PNOS exemplarisch für „fremdenfeindliche Hetzkampagnen“? „Jein“, sagt Rotzer, „wir sind ja nicht wirklich fremdenfeindlich insofern, sondern es geht uns darum, dass wir die Schweiz als solche stärken, wir sind eine Partei für Patrioten und es geht da darum die Position der Schweiz, bzw. die ihrer Bevölkerung zu stärken. Das hat nicht zwangsläufig etwas mit Rassismus zu tun.“
So oder so wird sich Rotzer demnächst bei seinen Gewerkschafstkolleg*innen erklären müssen. Denn sein verschwiegener politischer Hintergrund wird in eine kommende Vorstandssitzung eingebracht, an die Gewerkschaftszentrale weitergeleitet und allfällige Massnahmen zur Konsequenz haben.

Titelbild: Raphael Rotzer im Gespräch mit dem PNOS-Chef Dominic Lüthard. Screenshot aus einem jüngeren Propagandavideo der PNOS.